Zusammenarbeit mit Agenturpartnern

Beim VDZ Tech Summit 2021 haben wir darüber gesprochen, welche Probleme es in der Zusammenarbeit mit Agenturpartnern gegeben kann und wie man sie schon im Vorfeld vermeidet. In diesem Artikel fassen wir das Thema schriftlich zusammen.

WAS IST DAS PROBLEM BEI DER ZUSAMMENARBEIT MIT AGENTURPARTNERN?

Seit unserer Gründung 2010 kommen immer wieder Kunden zu uns, die mit Ihren bisherigen Agenturpartnern mehr als unzufrieden sind: Die Kommunikation funktioniert nicht wie gewünscht, die Zusammenarbeit läuft ganz anders als im Einkaufsprozess versprochen, das Projekt ist weit über Budget und das Projektende nicht in Sicht oder die Agentur kündigt aus eigenen Gründen die Zusammenarbeit mit dem Kunden.

Solche und andere Umstände sind uns schon häufig über den Weg gelaufen. Daher geben wir potentiellen Kunden schon in den ersten Gesprächen verschiedene Empfehlungen, ihre Unabhängigkeit zu behalten.

Aus unserer Projekterfahrung haben wir den ein oder anderen Tipp, um schon vor Beginn der Zusammenarbeit Fallstricke zu vermeiden.

ALLES RUND UM DAS PROJEKT SOLLTE IM BESITZ DES KUNDEN LIEGEN

Es gibt viele Gründe für einen Agenturwechsel bei Webprojekten, weshalb es sich aus unserer Sicht immer lohnt schon vor der Zusammenarbeit darüber nachzudenken, was im Falle eines Wechsels passiert.

HOSTING

Manchmal will oder muss der Kunde schnell den Agenturdienstleister wechseln. Hat aber ausschließlich die bisherige Agentur alle Kontakte und Zugänge zur Hostingplattform, dann geht es in den meisten Fällen nicht schnell. Zusätzlich zum Dienstleisterwechsel muss auch noch die Webseite auf ein neues Hosting umgezogen werden, was zum einen technische Schwierigkeiten verursachen kann und zum anderen Zeit und Geld kostet.

Wir empfehlen stattdessen spezialisierte Hostingangebote, stellen bei Bedarf den Kontakt her und bestehen darauf, dass Kunde und Hostingdienstleister den Vertrag direkt miteinander abschließen. Die Verwaltung und Betreuung können wir als Digitalagentur trotzdem übernehmen und der Kunde hat stets alles bei sich. Steht dann in der Zukunft ein Agenturwechsel an, werden lediglich Zugangsdaten ausgetauscht - die Webseite kann bleiben, wo sie ist.

TICKETSYSTEM

Für uns als Agentur, die seit der Gründung schon remote aufgestellt ist, war die schriftliche Dokumentation von Aufgaben in Tickets von Anfang an enorm wichtig. Über die Jahre hat sich immer wieder bewiesen, wie hilfreich es ist, alte Aufgaben und Probleme nachlesen zu können - Personal ändert sich, kein Gedächtnis ist perfekt, warum hat man das damals gleich noch so gemacht?

Ticketsysteme wie Jira sind schon lange üblich um Aufgaben zu planen, umzusetzen und zu dokumentieren. Früher hatten typische Agenturkunden kein Ticketsystem, weshalb es naheliegend war, dass die Agentur ein Projekt im agentureigenen Ticketsystem anlegt. Auch wir haben noch Bestandskunden, bei denen das so ist. Für neue Projekte empfehlen wir aber ein unternehmenseigenes Ticketsystem welches komplett in der Hand der Kunden liegt. Dafür lässt sich zum Beispiel eine Jira-Instanz einsetzen, die bis 10 Nutzer kostenlos ist.

CODE-VERSIONSKONTROLLE

Als Drupalagentur bauen wir komplexe Webseiten, haben also ständig mit Code zu tun. Dass Code versioniert werden sollte, davon braucht man die wenigsten noch zu überzeugen. Versionierter Code beinhaltet wichtige Details zur Projekthistorie, im Idealfall erfährt man so wann, von wem und warum eine bestimmte Zeile Code so geschrieben wurde.

Wir haben oft erlebt, dass dem Endkunden nur der aktuelle Codestand bei Agenturwechsel übergeben wird, deshalb hier die ganz klare Empfehlung: der komplette versionierte Code sollte dem Kunden gehören, zum Beispiel über ein unternehmenseigenes Github-Repository. Wir und viele andere Agenturen nutzen für ihre Codeversionierung zusätzlich Ticket-IDs des verwendeten Ticketsystems, sodass zu einer kurzen Beschreibung des Warums einer Codezeile über die Ticket-ID im Ticketsystem auch von einer neuen Agentur nachvollzogen werden kann, warum es diese Zeile gibt. Das zeigt, warum Codehistorie und Ticketsystem beim Kunden bleiben sollte.

KOMMUNIKATION IST ALLES

Auf der Suche nach einem neuen Agenturpartner gelangt ein Kunde häufig zunächst an ein spezialisiertes Sales-Team, das ein perfektes Bild der künftigen Zusammenarbeit zeichnet. Von solchen Fällen hören wir oft, wenn sich Kunden wegen der eigenen Unternehmensgröße oder des Projektumfangs für eine große Agentur entscheiden. Ist der Auftrag dann in Sack und Tüten, kommt ein anderes Team zum Einsatz: Das Entwicklungs-Team, welches oft aus Nachwuchsentwicklern besteht, die vielleicht in unpraktischen Zeitzonen sitzen oder oft ausgetauscht werden. Spezialisten wie im Sales-Team bekommen die Kunden nur noch gelegentlich zu Gesicht. Das Risiko ist dann sehr hoch, dass das Projekt über die Deadline läuft, mehrmals Budget nachgelegt werden muss und doch kein Ende in Sicht ist.

So ein Problem lässt sich lösen, indem man als Kunde das Projekt-Team schon während des Einkaufsprozesses kennen lernt oder die Zusammenarbeit mit einem kleinen Projekt ausprobiert.

ANFORDERUNGS-WORKSHOPS ZUM AUSTESTEN

Es ist völlig normal am Anfang mit großer Begeisterung und Optimismus ins Projekt zu gehen, aber mit der Zeit kann es passieren, dass die Zusammenarbeit doch nicht so harmoniert.

Deshalb empfehlen wir, die Zusammenarbeit mit einem kleinen Projekt zu testen. Anforderungs-Workshops bieten sich dafür sehr gut an: Auch wenn die Kunden meinen, die Anforderungen wären bereits absolut vollständig und verständlich festgehalten, gibt es immer noch viele Fragen und Beratungsbedarf. Was in einem Anforderungs-Workshop erarbeitet wird, übergeben wir den Kunden so, dass es auch weiterverwendet werden kann, wenn die Zusammenarbeit mit uns aus irgendwelchen Gründen nicht fortgeführt wird. Stellt man bereits im Anforderungs-Workshop fest, dass man sich nicht gut verständigen kann, kann die Zusammenarbeit ohne große Schmerzen beidseitig beendet werden.

ZEHN STAKEHOLDER IN JEDEM MEETING?

Nicht selten sitzen in Erstgesprächen und Workshops eine unüberschaubare Menge an potentiell involvierten Personen. Das zieht Gespräche in die Länge und verschwendet viel Zeit: Manche Teilnehmenden sind nur noch physisch anwesend, aber in ihre E-Mails vertieft. Aus unserer Sicht ist das einer der größten Fehler, die man machen kann. Für eine effektive Meetingkultur braucht es eine verantwortliche Person, die vor Meetings alle nötigen Informationen zusammensucht, aufbereitet und das auch projektbegleitend tut. Wir arbeiten mit dem Scrum-Framework und nennen diese Person am liebsten Project Owner oder Product Owner.

PROJECT OWNER

Ein Project Owner sollte die Seite des Kunden einnehmen können und wird Teil des Scrum-Teams. Wir empfehlen, dass diese Rolle kundenseitig übernommen wird, da dort die relevanten Anforderungen gemanaged werden und dies eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kunde garantiert. Die Rolle des Project Owners zieht unternehmensintern die notwendigen Informationen oder bringt bei Bedarf Fachspezialisten für Einzelgespräche mit dem Agenturteam zusammen.

Viele Unternehmen machen den Fehler die Aufgabe der Projektorganisation einer Person zu übergeben, die bereits viel Verantwortung hat und nicht die nötige Zeit mitbringt. Soll das Projekt gut werden, ist diese Position jedoch ein Vollzeitjob (der auch in Teilzeit ausgeführt werden kann, solange die Person keine anderen zeitaufwändigen Aufgaben hat).

ANFORDERUNGEN SCHRIFTLICH FESTHALTEN

Anforderungen ändern sich im Laufe eines Projekts, damit kann man sich schon vor Beginn abfinden. Komplexe Webprojekte bestehen aus vielen Anforderungen, die schwer überschaubar sind. Deshalb ist es enorm wichtig, Anforderungen schriftlich festzuhalten. Zu Beginn kann dies so einfach wie möglich gehalten werden. Wir empfehlen dazu das Prinzip der User Stories: "Als <Rolle> möchte ich <Ziel/Wunsch>, um <Nutzen>".

GEGENSEITIGE SYMPATHIE WICHTIGER ALS PREIS

Ein günstiger Stundensatz mag verlockend sein, bedeutet aber nicht immer einen günstigen Projektverlauf. Ganz im Gegenteil: Wenn langsam gearbeitet wird oder Anforderungen und Wünsche der Kunden nicht verstanden werden, dann wird es trotzdem teuer.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt trotz aller Variablen ein erfolgreiches Ende findet, ist sehr viel höher, wenn die Zusammenarbeit auf gegenseitiger Sympathie und übereinstimmenden Werten basiert. Was wir für uns als Agentur vor jedem Projekt überdenken, empfehlen wir auch den Kunden zu überdenken: Können wir uns vorstellen, in Kooperation Neues zu erarbeiten und viele intensive Arbeitsstunden für das Projekt zu investieren?

Foto von Xavi Cabrera auf Unsplash

Anja Schirwinski
  • Geschäftsführung

Anja ist Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin von undpaul. Zertifiziert als Acquia Developer und Co-Autorin von Drupal 8 Configuration Management (Packt Publishing).

Wenn sie nicht gerade auf Reisen ist oder an der Ihme joggt, kümmert sie sich um alles, was die anderen nicht machen. Die Zufriedenheit des eigenen Teams und natürlich die des Kunden stehen bei Anja an erster Stelle.